Sam erklärt euch den Unterschied zwischen der Abbotsford Senior Secondary School in Kanada und deutschen Schulen

Sam erklärt euch den Unterschied zwischen der Abbotsford Senior Secondary School in Kanada und deutschen Schulen

Hallo! Mein Name ist Sam, ich bin seit einem Monat in Abbotsford, BC, Kanada, und besuche die Abbotsford Senior Secondary School in der 11. Klasse. Ich erzähle euch heute ein bisschen was über meine High School hier in Kanada und erkläre euch auch ein paar Unterschiede zu meiner Schule, die ich in Deutschland besuche. Erst mal: WOW!!

*Das in dem folgenden Blogartikel benutzte generische Maskulinum schließt alle Genderidentitäten mit ein*

Dadurch, dass ich (leider) nur ein Jahr bleiben werde und keinen Abschluss im Ausland mache, durfte ich alle Kurse wählen, die mich interessieren. Das ist ein krasser Vorteil im Vergleich zu Deutschland, wo ich in Bayern auf die Schule gegangen bin. Man hat generell 4 Kurse pro Semester, zwei vor- und zwei nachmittags; der erste Block startet um 8:10 Uhr und der letzte Block endet jeden Tag um 14:24 Uhr. Jeder Block dauert 80 Minuten und für Lunch hat man ungefähr eine Dreiviertelstunde Zeit. Am ersten Schultag war ich erst mal überwältigt vom gesamten Schulalltag, den Fächern, der Art zu unterrichten – meinen Klassenkameraden vom ersten Block und mir wurde gleich um 8:20 Uhr mitgeteilt, dass wir unser erstes benotetes Essay am Montag schreiben würden. Besagter Montag war der 4. Schultag. Meine Fächer sind IB (Höherlevel) History, Photography, Drama, Interpersonal & Family Relationships. Wie gesagt – ich durfte wählen, was ich wollte, daher habe ich mich für Kurse entschieden, die ich nicht in Deutschland belegen kann (Ausnahme ist Geschichte). In Kanada hat man nur 4 oder 5 Minuten Pause zwischen den Klassen, was meistens gerade so ausreicht um von Klassenzimmer zu Klassenzimmer zu gelangen oder schnell einen Abstecher aufs Klo zu machen.

Der Unterschied, der mir definitiv am frühesten aufgefallen ist, ist der Umgang mit Handys in der Schule. Es ist teilweise lehrerabhängig, aber generell darf man sein Handy immer offen auf dem Tisch liegen haben und bei den meisten Lehrern sogar während des Unterrichts benutzen und Musik hören. Das war in meiner deutschen Schule ein No-Go und unser Gerät musste zu jeder Zeit (außer für die höheren Klassen in der Mittagspause) ausgeschaltet in der Schultasche sein. 

Dann ist da natürlich die Offenheit gegenüber der LGBTQIA+-Community. Wenn Lehrkräfte sich vorstellen, stellen sie gleichzeitig ihre Pronomen mit vor, was auch für Schüler ein wichtiger Part in der Selbstpräsentation ist. Ich persönlich bin genderqueer (eine Form von Non-Binary) und benutze in Kanada they/them, also war das für mich ein sehr wichtiger Aspekt in der Landesauswahl, weil beispielsweise bestimmte Staaten in den USA bekannt für ihre Konservativität sind. Generell versuchen meine Mitschüler/Lehrer, meinen Wunsch zu respektieren und entschuldigen sich immer, wenn ihnen das falsche Pronomen herausrutscht. Es sollte auch in jeder öffentlichen kanadischen Schule mindestens eine All-Genders-Toilette geben. Ich habe auch meinen Namen in eine genderneutrale Form geändert – Sam ist nicht mein Geburtsname, und in Deutschland hat mich nur meine Familie so genannt. Hier war das überhaupt kein Problem und als ich das am ersten Tag erwähnt habe, wurde mein Name sofort in meinen Akten verändert, sodass ich jetzt überall innerhalb der Schule Sam bin. Das hätte ich nie von meiner deutschen Schule erwarten können – weder die Akzeptanz noch die Rücksicht. Wenn ich ehrlich bin, graust es mir ein wenig davor, in Deutschland die Oberstufe zu absolvieren, gerade weil ich dann nicht mehr they/them-Pronomen verwenden kann und vermutlich wieder mit meinen gebürtigen Namen gerufen werde.

Die Art, in Kanada Noten zu vergeben, unterscheidet sich grundlegend von der in Deutschland. In Deutschland war jede Note zusammengesetzt aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil, der in den meisten Fächern gleich gewichtet wurde. Hier schreibt man vor allem in den akademischen Fächern (wie Mathe, Naturwissenschaften, Geschichte) eine Vielzahl von angekündigten Tests – die bereits in der zweiten Schulwoche starten –, von denen jeder Lehrer völlig frei entscheiden kann, wie viele genau und wie stark die Gewichtung ist, und die Beteiligung am Unterricht zählt überhaupt nicht. Dem ist nicht so in Fächern wie Drama oder Relationships. In Relationships zum Beispiel hat unser Lehrer frei entschieden, dass wir überhaupt keine Tests schreiben werden und unsere Note ausschließlich aus der Beteiligung entstehen wird. In den meisten nicht-akademischen Klassen gibt es auch keinen Lehrplan – wir haben zusammen mit dem Lehrer entschieden, was wir in dem Kurs besprechen wollen, und er hat sich völlig nach unseren Interessen ums Thema Relationships gerichtet. In praktischen, kreativen Klassen wie Drama oder Studio Arts & Drawing (was ich im 2. Semester belegen werde) besteht die Hauptnote aus einer Performance am Ende des Semesters – in Drama ist es das aufgeführte Stück und ein Monolog im Klassenzimmer und in Drawing das Malen eines Gemäldes. 

Noch ein Unterschied im Vergleich zu Deutschland – die Klassenzimmer. Drama ist logischerweise auf einer Bühne, Studio Arts & Drawing in einem Studio, Photography in einem Computerraum, IB History und Relationships in einem „gewöhnlichen“ Unterrichtszimmer. Der Computerraum sieht genau so aus wie die Computerräume in meiner alten Schule, zwei Reihen von Computern an den Wänden und ein Mittelblock mit zwei weiteren Reihen. Die Tische in den „gewöhnlichen“ Klassenzimmern haben zwar etwas kuriose Anordnungen (ich verwende das Wort unverdient, da es keine wirkliche Ordnung gibt), aber im Endeffekt waren auch sie nichts Neues. Was mir jedoch aufgefallen ist: das Fehlen von Tafeln mit Kreide. Whiteboards scheinen weitaus populärer zu sein, da diese keinen für die Lunge schädlichen Feinstaub erzeugen. Mit Whiteboards ist die nicht technische Version gemeint, also man schreibt mit echten Stiften. Jedes Zimmer, sogar die Bühne, hat einen Beamer und es wird hauptsächlich mithilfe von Präsentationen unterrichtet. Die Mensa ist übrigens typisch amerikanisch, mit ganz vielen roten Booths, und da sie sich im Sporttrakt befindet, hängen an den Wänden dutzende Bilder von verschiedenen schulischen Sportmeisterschaften. 

Alles in allem scheint es, als würde ich die kanadische Schule der deutschen bei Weitem vorziehen, aber mir ist die Entscheidung nicht leicht gefallen. Ich bin sehr froh, dass ich zehn Jahre lang in Deutschland auf die Schule gegangen bin, da man in Deutschland viel mehr Stoff in viel mehr Fächern auf einem höheren Niveau lernt (und so etwas wie Allgemeinbildung bekommt). Meine absolute favorisierte Schulbildung wäre vermutlich bis zum Ende der 10. Klasse deutsch, ein Jahr Spaß in Kanada (Kurse, die einen interessieren) und dann zwei Jahre volles IB-Programm.

Was hat mich an der kanadischen Schule überrascht? Das ist eine gute Frage, und ich denke, mich haben vor allem die Unterschiede in meinen Klassenkameraden überrascht, also wie anders die Kids sind, mit denen ich in Drama bin im Vergleich zu IB History. In Drama sind alle ein bisschen abgedreht, kreativ und super extrovertiert – in IB History sind die klügsten Schüler der Schule, die meisten eher introvertiert und wirklich organisiert im Lernen. Ich bin froh, dass ich so einen bunten Mischmasch von Mitschülern habe, weil ich so in jeder Klasse einen anderen Teil von mir ausleben kann. Das ist das, was mir hier am besten gefällt – jeder akzeptiert jeden auf eine eigene Weise. Und deshalb werde ich Abby Senior garantiert vermissen, wenn es Zeit wird, nach Hause zu gehen.

Ich hoffe euch hat mein Blogartikel gefallen, wenn ihr von noch mehr Erfahrungen lesen oder auch hören wollt, lest euch weitere Artikel auf dieser Seite durch oder scrollt mal durch die Social Media Kanäle von Kulturwerke Deutschland.

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